Fairer Handel gegen ausbeuterische
Kinderarbeit: Chancen und Grenzen

Positionspapier der GEPA zum Thema Kinderarbeit

Eines der wichtigsten Kriterien im Fairen Handel ist das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit. Darunter verstehen wir gemäß der Konvention der Internationalen Arbeiter-Organisation (ILO) alle Arbeit, die die Entwicklung eines Kindes erschwert bzw. verhindert, z.B. weil sie einen Schulbesuch unmöglich macht oder gefährlich für Körper und Seele des Kindes ist. Die schwersten Formen der ausbeuterischen Kinderarbeit sind Sklaven und Zwangsarbeit.

Die Ursachen für ausbeuterische Kinderarbeit sind meist strukturell bedingt: zu niedrige Löhne der arbeitenden Eltern, zu niedrige Produktpreise, Gewinnmaximierung als oberstes Ziel der aufkaufenden Firmen auch bei hohen Weltmarktpreisen z.B. für Kakao. Aber auch finanzielle Not der Menschen, die sich in der langen Kette z.B. des Sklavenhandels ihren Lebensunterhalt verdienen, oder „einfach nur” kriminelle Ambitionen dieser beteiligten Menschen gehören zu den Ursachen.

Der Faire Handel versucht mit verschiedenen Instrumenten, Kinderarbeit unnötig zu machen, dazu gehören die Zahlung von fairen Preisen bzw. Löhnen für die arbeitenden Eltern und langfristige, gesicherte Handelsbeziehungen. Auch die Sensibilisierung der Produzent*innen hinsichtlich einer gesunden Entwicklung ihrer Kinder ist wichtiger Bestandteil im Fairen Handel. Die Ermöglichung des Schulbesuchs, häufig über die Fair Handels Prämie mitfinanziert, ist ein weiterer wichtiger Aspekt.

Die GEPA arbeitet mit verschiedenen Kontrollsystemen zusammen, um die Einhaltung der Fair Handels-Kriterien zu überprüfen.Andrea Fütterer, Leiterin Grundsatz und Politik

"Die GEPA arbeitet mit verschiedenen Fair Handels-Kontrollsystemen zusammen, um die Einhaltung der Fair Handels-Kriterien zu überprüfen", so Andrea Fütterer, Leiterin der Absteilung Grundsatz und Politik. Dies ist z.B. bei unseren Handelspartnern für Kakao und Kaffee Fairtrade International. Es werden jährliche Inspektionen vor Ort gemacht, bei Missständen hat eine Organisation einige Monate Zeit, diese zu beheben. Bei weiterem Verstoß gegen die Kriterien wird eine Produzenten-Organisation dann aus dem Fairtrade-Register suspendiert oder dezertifiziert. Bei einer Dezertifizierung heißt dies für uns als GEPA, dass wir mit der betreffenden Organisation nicht weiter zusammenarbeiten.

Viele unserer Handwerkspartner sind, so wie die GEPA selbst, Mitglieder der World Fair Trade Organisation (WFTO) und werden über das Guarantee System der WFTO kontrolliert.

Abgesehen von diesen externen Kontrollen besucht die GEPA auch selbst Produzenten-Organisationen, dies dient u. a. dem direkten Dialog, dem Austausch von Informationen, der Sensibilisierung für die jeweiligen Realitäten und Erwartungen, aber auch der Überprüfung von Fair Handels-Kriterien.

Weltweit arbeiten ca. 152 Millionen Kinder, um einen Beitrag zum Überleben ihrer Familien zu sichern, das ist jedes zehnte Kind.

Bei einem Marktanteil von z.B. fair gehandeltem Kaffee von rund sieben Prozent in Deutschland liegen die Grenzen des Fairen Handels jedoch auf der Hand. Daher sind übergeordnete Maßnahmen und politische Rahmensetzungen erforderlich, die die strukturellen Ursachen angreifen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen haben die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. So unterzeichnete z.B. die Schokoladenbranche im Jahr 2001 eine Selbstverpflichtung, das sogenannte Harkin-Engel-Protokoll, das die Beendigung der schlimmsten Formen von ausbeuterischer Kinderarbeit bis 2005 zum Ziel hatte. Dieses Ziel wurde mehrfach revidiert und reduziert. Das letzte aktuelle Ziel war die Reduzierung von Kinderarbeit um 70 Prozent bis 2020, auch dieses Ziel wurde nicht erreicht. Bisher haben sich die Aktivitäten der Branche schwerpunktmäßig auf die Bereiche Produktivitätssteigerung und Qualitätsverbesserung konzentriert und damit kaum einen Beitrag zur Beendigung von Kinderarbeit geleistet.

Eine im Oktober 2020 herausgegebene Studie der University of Chicago zeigt die drastische Situation der Kinder im Kakao-Sektor in Westafrika, dort gibt es ca. 1,5 Millionen Kinderarbeiter*innen, die Zahl ist sogar gestiegen. Diese Kinder verrichten gefährliche Arbeiten mit der Machete, tragen schwere Lasten und sind gefährlichen Pestiziden ausgesetzt.

Was macht die GEPA?

Der Zusammenhang von Armut, zu niedrigen Löhnen und Preisen und Kinderarbeit liegt auf der Hand. Daher hat die GEPA 2021 den Kakao-Plus-Preis eingeführt: 3.500 Dollar/ Tonne für Kakao exportierende Länder aus Ostafrika und Lateinamerika, 3.100 Euro für westafrikanische Länder, für die der Euro als Leitwährung gilt. Der Kakao-Plus-Preis von 3.500 US-Dollar liegt 47,7 Prozent über dem durchschnittlichen Weltmarktpreis von 2022. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Debatte über ein existenzsicherndes Einkommen. Gerade im Kontext von ausbeuterischer Kinderarbeit ist es wichtig, die Lebens- und Einkommenssituation der Familien zu verbessern.

Erste politische Erfolge

Aktuell erfolgt nun endlich ein lange überfälliger Schritt von der freiwilligen Selbstverpflichtung zur staatlichen Regulierung und Kontrolle.

Zum 01.01.2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten. Auch wenn vieles im Gesetz noch verbesserungswürdig ist, der Anfang der gesetzlichen Regelung ist gemacht. Näheres dazu in diesem Blogartikel des Forum Fairer Handel

Aktuell wird zum EU-Lieferkettengesetz verhandelt. Es soll noch in diesem Jahr beschlossen werden. Wir erwarten, dass das Gesetz zur Vermeidung von ausbeuterischer Kinderarbeit beitragen wird.

Das Eintreten für gerechtere Produktions- und Handelsbedingungen auf der internationalen politischen Ebene ist eines der wichtigsten Anliegen im Fairen Handel und wird über die nationalen und internationalen Netzwerke des Fairen Handels geleistet. Die Initiative Lieferkettengesetz hat mit ihren über 130 zivilgesellschaftlichen Organisation dazu beigetragen, ein deutsches Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen. Sie setzt sich aktuell für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz ein.

Die Covid-19-Pandemie hat das Problem der Kinderarbeit verstärkt

Gleich vielfach bedeutete die Covid-19-Pandemie einen Rückschlag im Kampf gegen ausbeuterische Kinderarbeit. Die wirtschaftlichen Einschränkungen durch Lockdowns und Ausgangssperren haben viele Arbeitsplätze im formellen, besonders aber im informellen Sektor gekostet. Dies bedeutete einerseits, dass kein Geld für den Schulbesuch mehr da war. Digitale Medien oder der Zugang zum Internet für virtuelles Lernen waren oft unerschwinglich oder auch einfach nicht gegeben. Gleichzeitig waren viele Kinder wieder gezwungen, irgendeine Tätigkeit anzunehmen, um zum weggebrochenen Familieneinkommen beizutragen. Besonders Mädchen sind nach wie vor betroffen und es steht zu befürchten, dass viele Kinder auch nach dem Ende der Pandemie nicht in die Schulen zurückkehren werden.

Die Sensibilisierung von Bürger*innen ist die Grundlage für zunehmende Nachfrage nach fair gehandelten Produkten. Diese wiederum bringt immer mehr konventionelle Unternehmen dazu, faire Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. Das zeigt der rasante Umsatz-Anstieg der letzten Jahre, welcher überwiegend im Mainstream-Markt stattgefunden hat.

Konventionelle Unternehmen arbeiten in der Logik der Gewinnmaximierung für ihr Unternehmen und fürchten Skandale und Kritik. Daher können informierte Kund*innen, die ihre Verbraucher-Macht z.B. durch „aktiven Nicht-Kauf” bestimmter Produkte oder Marken einsetzen, am wirkungsvollsten auf unfaire Firmenpraktiken Einfluss nehmen.

Besonders die letzten Jahre haben gezeigt: die Kombination aus „Politik mit dem Einkaufskorb” und zivilgesellschaftlichem Druck, analog auf der Straße und digital im Netz, ist unschlagbar!

Stand 04/2023

WEITERE INFORMATIONEN

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Fairer Handel gegen ausbeuterische Kinderarbeit

Reportage

Zu Besuch bei GEPA-Partner COOPROAGRO

Begleiten Sie Katharina Nickoleit auf ihrer Reise zu unserem Handelspartner COOPROAGRO in der Dominikanischen Republik.